3 Fragen an

Ashley Saxby | Asia Floor Wage Alliance (AFWA)

Ashley Saxby ist Koordinatorin für Geschlechtergerechtigkeit und für den Bereich Südostasien bei der Asia Floor Wage Alliance (AFWA). Die AFWA ist ein Bündnis, das aus Gewerkschaften von Textilarbeiter*innen und Arbeitsrechteorganisationen besteht. Über 50 Mitglieder in 7 verschiedenen Produktionsländern in Asien setzen sich darin für existenzsichernde Löhne sowie für die Beendigung von geschlechtsspezifischer Gewalt in den globalen Bekleidungslieferketten ein.  

Portraitfoto von Ashley Saxby

1. AFWA setzt sich für existenzsichernde Löhne ein. Warum ist dafür ein länderübergreifendes Bündnis notwendig?  

Modemarken mit Sitz im Westen oder in Industrieländern haben in den globalen Lieferketten die Macht. Sie lagern die Produktion in weniger entwickelte Länder oder in Länder aus, in denen die Arbeiter*innen im Grunde genommen Armutslöhne erhalten, wie etwa in vielen Ländern Süd- und Südostasiens. Auf der einen Seite haben die Marken damit so viel Macht, dass sie die Preise für ihre Bestellungen sehr niedrig ansetzen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Zwang, denn die Marken können damit drohen, ihr Geschäft auszulagern. Sie gehen also auf die gesamte Region mit einem durchschnittlich akzeptierten Kostenvorschlag zu. Sie schaffen ein hart umkämpftes Umfeld, in dem die Arbeitskosten im Grunde künstlich gedrückt werden. All dies geschieht, damit die Marken ihre Gewinne maximieren können, während der Gewinnanteil, der an die Zulieferer geht, viel geringer ist und der Anteil, der an die Arbeitnehmer*innen geht, natürlich nur ein Hungerlohn ist. Die Marken verfolgen also eine regionale Strategie, indem sie die durchschnittlichen Produktionskosten in der gesamten Region durch die Androhung von Standortverlagerungen niedrig halten. Wir brauchen daher die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmenden, um auch diese Ebene zu erreichen, um der regionalen Strategie der Marken unsere eigene regionale Strategie entgegenzuhalten. Würden wir uns nur auf die Länderebene konzentrieren, führte dies zu einer Spaltung der Arbeitnehmenden innerhalb der Region nach Ländern. 

2. AFWAs Ansatz für existenzsichernde Löhne legt den Fokus auf Frauen. Warum ist das aus Sicht von AFWA nötig?  

Frauen stellen die Mehrheit der Arbeitskraft im Bekleidungssektor dar, zwischen 70 und 80%. Viele dieser Frauen ernähren damit ihre ganze Familie. Und wir wissen, dass die Arbeit von Frauen historisch gesehen schon immer schlechter bezahl wird, als die Arbeit von Männern. Denn ihre Arbeit wird nicht wertgeschätzt und es existiert die falsche Vorstellung, dass Männer die Familie ernähren und das Gehalt von Frauen höchstens eine Ergänzung dazu ist. Wir wissen aber, dass dies nicht stimmt. Viele Frauen im Bekleidungssektor sind Alleinverdienerinnen. Gleichzeitig haben Frauen oft eine Doppelbelastung, da sie unbezahlte Hausarbeit oder Care-Arbeit leisten. Diese Arbeit ist normalerweise unbezahlt, es sei denn, man kauft diese in Form einer Haushaltshilfe oder Kinderbetreuung ein. AFWA hat deshalb einen existenzsichernden Lohn errechnet, der die tatsächlichen Ausgaben einer Familie beziehungsweise einer Arbeiterin für Hausarbeit berücksichtigt.  

 3. Ein weiterer Schwerpunkt Ihrer Arbeit ist die Vermeidung von Gewalt gegen Frauen. Welche Ansätze verfolgt AFWA dafür?  

Die Beendigung von geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung geht aus unserer Sicht einher mit der Vereinigungsfreiheit. Frauen werden oft daran gehindert, sich zusammenzuschließen oder höhere Positionen in einer Gewerkschaft anzunehmen. Denn Frauen, die täglich Belästigung und Gewalt erfahren, werden sich unter diesen Bedingungen keiner Gewerkschaft anschließen. Wir müssen also das Problem der Gewalt gegen Frauen angehen, damit Frauen Gewerkschaften bilden und beitreten können. Unseren Ansatz nennen wir den „Safe circle“ Ansatz. Er wurde von weiblichen Gewerkschaftsführerinnen aus dem Bekleidungssektor konzipiert. Damit möchten wir Frauen in Führungspositionen in den Fabriken fördern. Auch die Gewerkschaftsbildung ist Teil dieses Prozesses. Großen Erfolg haben wir besonders beim wegweisenden Dindigul Agreement erlebt, das AFWA, die Gewerkschaft TTCU und Global Labour Justice - International Labour Rights Forum ausgehandelt haben. Unterschrieben haben die Modemarken H&M, GAP und PVH sowie der Zulieferer Eastman Exports. Teil des Abkommens sind die Einrichtung unabhängiger Beschwerdemechanismen, die von Frauen geführt werden und in die Frauen vertrauen. Ein wichtiger Teil dessen ist der soziale Dialog, um Probleme zu lösen, bevor sie eskalieren. Das Abkommen hat die Unterstützung der Marken, die dazu verpflichtet sind, diesen Mechanismus zu unterstützen. Wir haben im ersten Jahr bereits großartige Erfolge gesehen und sind überzeugt davon, dass dies der richtige Weg ist, um in der Textilindustrie wirklich etwas zu verändern.