3 Fragen an

Michael Windfuhr | Deutsches Institut für Menschenrechte

Michael Windfuhr studierte Politikwissenschaft, Germanistik, Geographie und Philosophie in Heidelberg und ist seit 2011 stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin. Zudem war er Vorsitz des Expert*innenbeirats des Grünen Knopfs und begleitete uns mit seiner Expertise bei der Weiterentwicklung des Siegels.

Michael Windfuhr

1. Heute ist der Tag der Menschenrechte. Leider sind Menschenrechtsverletzungen immer noch an der Tagesordnung. Wie schätzen Sie die Situation in globalen Textillieferketten ein?

Die Textilindustrie ist einer der Wirtschaftssektoren, die besonders globalisiert sind: Über 90 % aller Textilien und Bekleidung in Deutschland wird international eingekauft. Viele Produktionsstätten liegen in Ländern, die sich selbst zu wenig um die Einhaltung von Menschenrechten in ihrer Wirtschaft kümmern, d.h. um die Überwachung von Werken, um Arbeitsschutzstandards, um Gebäudesicherheit etc. Das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, ist oft nicht gewährt. Lange Arbeitszeiten, sehr geringe Löhne und Gesundheitsgefährdungen prägen deshalb den Sektor. Im Textilsektor sind zudem besonders viele Frauen beschäftigt und regelmäßig Belästigungen und Übergriffen am Arbeitsplatz ausgesetzt. In Zulieferbetrieben kann Kinderarbeit vorkommen.

Seit Jahren setzen sich Initiativen der Zivilgesellschaft, auch der Regierung und der Wirtschaft für Verbesserungen im Textilsektor ein. Einzelne Unternehmen haben inzwischen vieles verbessert, im Gesamtsektor bleibt die Aufgabe allerdings noch sehr groß.

Textilverarbeitende Betriebe und Bekleidungshändler haben eine Sorgfaltspflicht, auf menschenrechtliche Standards in der Produktion zu achten – diese Grundidee ist eine wichtige Neuerung der letzten Jahre. Sie geht zurück auf die Leitprinzipien der Vereinten Nationen zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte, die 2011 im Menschenrechtsrat einstimmig verabschiedet worden sind. Die Leitprinzipien, machen zwei Dinge klar: Die Staaten, in denen die Bekleidungsindustrie angesiedelt ist, sind menschenrechtlich verpflichtet, die im Sektor Tätigen vor Verletzungen zu schützen. Und: Die Unternehmen, die dort produzieren lassen, haben entlang ihrer Lieferketten eine Verantwortung, darauf zu achten, dass sie nicht zu Verletzungen der Menschenrechte beitragen oder diese verursachen.

2. Welche Akteure müssen mit an den Tisch, damit sich die Menschenrechtssituationen in Textillieferketten verbessern und wie können konkret Unternehmen Verantwortung übernehmen?

Hauptverantwortlich für die Verbesserung der menschenrechtlichen Situation in Textillieferketten sind die Staaten in den Herstellungsländern. Sie müssen die von ihnen selbst unterschriebenen Menschenrechtsstandards umsetzen. Manche wollen dies nicht, da sie selbst von den Bedingungen profitieren. Manche trauen sich im harten globalen Wettbewerb nicht, höhere Standards zu implementieren, da sie befürchten, die Produktion wandere ab in andere Länder. Umso wichtiger ist es, wenn es eine Nachfrage nach Produkten gibt, die unter Einhaltung sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Standards hergestellt werden. Der Grüne Knopf bietet dem Verbraucher die Möglichkeit, diese Nachfrage zu zeigen. Die Bekleidungshändler können selbst ihre Nachfragemacht nutzen, entlang der Lieferketten besser zu werden, indem sie entsprechende Siegel nutzen. Zusätzlich kann ein deutsches und ein europäisches Lieferkettengesetz deutlich machen, dass die Einhaltung von Standards langfristig auch ökonomisch günstiger für Herstellerfirma ist. Sie können und sollten sich auf den Weg machen, weil faire Herstellungsbedingungen und menschenrechtliche Sorgfalt langfristig zum Standard werden.

3. Der Grüne Knopf wurde ja umfassend überarbeitet. Dabei waren Sie als Beiratsvorsitz beratend tätig. Wie schätzen Sie den neuen Standard Grüner Knopf 2.0 ein und inwiefern kann er Ihrer Meinung nach dazu beitragen, Menschenrechte in globalen Lieferketten besser zu schützen?

Der Grüne Knopf ist gedacht als verlässliches Zeichen für nachhaltig produzierte Textilien, das einer staatlich überwachten Kontrolle unterliegt. Die den Grünen Knopf tragende Systematik bietet die Chance, signifikante Fortschritte bei der Umsetzung der Umwelt- und Sozialstandards in globalen Lieferketten zu erreichen. Mit der Überarbeitung wurde erreicht, dass nicht nur Standards für die Produkte selbst eingefordert und überprüft werden, sondern auch die beteiligten Unternehmen nachweisen müssen, dass sie menschenrechtliche Sorgfalt anwenden, um die besonders schwer zu verändernden Themen im Sektor zu adressieren. Hierzu gehören beispielsweise die Durchsetzung existenzsichernder Löhne und die Gewerkschaftsfreiheit. Der überarbeitete Grüne Knopf beinhaltet die Ausweitung des Siegels auf die tiefere Lieferkette und den Versuch, sich der Frage existenzsichernder Löhne zu nähern. Wichtig ist es, dem Verbraucher deutlich zu machen, dass der Grüne Knopf auf längerfristige Veränderungsprozesse in Unternehmen setzt und dass einzelne Ziele, wie beispielweise existenzsichernde Löhne, nur mittel- und langfristig erreicht werden können.